FREEDOM CALL

Nachdem unser Interview in Bochum wegen mangelnder Zeit gekürzt werden musste, kommt hier nun das ausführliche Interview mit Chris Bay von FREEDM CALL. Es gibt interessante News über das Line Up und DVD Pläne. Liest über die aktuelle Tour mit GAMMA RAY und was in Zukunft noch anstehen wird.

Wie lief die Tour bis jetzt?

– Super klasse! Also weitaus besser als wir je erwartet haben. Natürlich war das Paket von vorne herein klar. Wir haben schon seit Jahren darüber nachgedacht, mit GAMMA RAY auf Tour zu gehen, weil ich schon denke, nachdem HELLOWEEN mit GAMMA RAY auf Tour waren letztes Jahr ist das quasi nochmal so ein Paket, natürlich auf einem weit niedrigerem Niveau, dass aber die Melodic Metal Fans super interessiert. Und dadurch, dass wir die Italiener von SECRET SPHERE noch dabei hatten, die heute leider nicht dabei sein konnten, weil es ein Nachholtermin ist und die leider schon andere Verpflichtungen hatten, war das schon ganz zielgerichtet auf die Melodic Metal Schiene. Da haben wir schon viel erwartet, aber wurde weit übertroffen. Also wir hatten nicht eine einzige Show dabei gehabt, bei der wir Federn lassen mussten. Wir mussten uns nichts schön reden.  Also es hat alles so gut geklappt, dass wir eigentlich nur noch am jubilieren sind was allerdings jetzt nicht heißen soll, dass wir ab driften oder irgendwelche Kaspereien veranstalten, sondern wir sind immer noch hoch konzentriert und eigentlich läufts bei jeder Show immer besser. Und das macht uns auch froh und auch stolz natürlich, dass gerade das neue Album so gut funktioniert.

Und das hier in Saarbrücken, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Am 02. Februar bei Stratovarius hier waren allerhöchstens die Hälfte der Leute von heute anwesend.

– Also ich denke, dass dieses Paket einfach interessant ist. Wenn immer nur einzelne Acts kommen, dann ist das zwar für die Leute schon interessant und sie überlegen es sich hinzugehen, aber wenn halt einfach so ne Kombination da ist, dann bleibt den Leuten einfach nichts anderes übrig als zu sagen: „Da müssen wir hin!“.

Wie sieht’s aus mit Klaus Sperling? Der macht ja nun den Ersatz für Dan Zimmermann. Weil ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass er zwei Sets an einem Abend spielen würde. Wie seid ihr dazu gekommen?

– Also wie gesagt, der Gedanke mit GAMMA RAY zu touren besteht schon lange und es ist letztendlich daran gescheitert, weil eben Daniel keine Doppelshow spielen kann. Das will der Kai natürlich nicht und ich denke auch, es wäre für die Leute etwas verwirrend und es würde uns eigentlich auch nicht viel bringen. Ich denke schon, man sollte uns als zwei separate Bands verkaufen. Das mit Klaus hat sich schon vor zwei Jahren so ein bisschen angedeutet, da hatte er schon mal bei uns ausgeholfen, als Daniel mit GAMMA RAY und HELLOWEEN auf Tour war. Das war eine sehr ausgeprägte Tour und in dem Zeitraum konnte ich FREEDOM CALL nicht einfach schlafen lassen. Das geht nicht. Und dann haben wir das einfach so geregelt, dass Klaus einfach ausgeholfen hat. Und jetzt ist die Situation, das GAMMA RAY einfach viel tourt, viel unterwegs ist und die Platten in etwas engeren Zeiträumen veröffentlich werden und FREEDOM CALL ist einfach gewachsen. Gerade jetzt mit dem neuen Album haben wir sehr viele Angebote für Festivals und auch weitere Touren und wenn Daniel das ganze spielen würde, ja dann hätte er gar keine Zeit mehr irgendetwas zu machen. Dann müsste das Jahr 380 Tage haben. Und deshalb haben wir uns darauf geeinigt, dass Daniel auch in Zukunft immer mit Rat und Tat zumindest uns bei Produktionen zur Seite stehen wird. Er wird auch beim Songwriting bei dem ein oder anderen Song mitwirken. Aber im Live Sektor wird er sich zurückziehen, weil er das zeitlich einfach nicht arrangieren kann und mit Klaus, denke ich, haben wir einen würdigen Nachfolger – eventuell – und dieses fixe Line Up haben wir noch nicht ganz geklärt aber auf jeden Fall kann es sein, dass es darauf hinaus laufen wird.

Aber böses Blut wird nicht fließen?

– Überhaupt nicht. Das sieht man ja schon allein daran, dass wir zusammen auf Tour sind. Ich unternehme auch tagsüber viel mit Daniel. Es war auch Daniels Wunsch das zu reduzieren. Das geht absolut im Guten, weil Daniel ja neben der musikalischen oder geschäftlichen Partnerschaft auch einer meiner besten Freunde ist mit dem ich viel Zeit verbringe und das läuft vollkommen in beiderseitigem Einverständnis.

Wie sieht’s aus mit Nils Kaufmann? Es ist ja schon länger her, dass er ausgestiegen ist. Versteht ihr euch noch?

– Ja, ab und zu treff ich ihn noch. Er wohnt auch in einer anderen Gegend als ich. Er ist vollkommen anders orientiert als ich. Er ist eher businessorientiert und ich als einkommensloser Künstler hab mich halt zu dem Wahnsinn bekannt. Aber ab und zu treff ich ihn noch. Aber die Keyboards im Studio hab ich immer selbst gemacht, da ist Nils nie aktiv geworden. Er war ein reiner Live Keyboarder. Wir haben die Gelegenheit so genommen, dass wir das machen wie die meisten Bands auch, dass wir das Keyboard einspielen lassen. Heut zutage ist das keine Seltenheit mehr. Wir haben das gesehen, dass das nicht so stört.

Wie waren die Reaktionen der Fans auf das neue Album? Hier hab ich heute gesehen, dass es schon gut war. Wie war es in den anderen Städten?

– Also FREEDOM CALL grundsätzlich polarisiert immer im Live Sektor oder auch bei Produktionen. Weil einfach unsere extrem positive Ader von vielen Hardcore Metal Fans belächelt wird, dass die einfach sagen dass ist irgendwie Kinder Metal oder Happy Metal. Happy Metal ist ja eigentlich noch schmeichelhaft. Das geht bis Flower Metal. Find ich alles OK. Ich überlass das jedem, wie er es gerne nennt. Die Reaktionen der Journalisten, muss ich eigentlich ganz ehrlich sagen, sind mir vollkommen egal, weil ich hab die Möglichkeit auf Tour zu gehen, ich hab die Möglichkeit vor den Leuten zu spielen, die die Alben kaufen, die die Band unterstützen. Ich kann den Leuten in die Gesichter sehen und was ich sehe ist in der Regel bei jeder Show Begeisterung, Zufriedenheit und nach einer Stunde FREEDOM CALL sind die Leute in einer guten Laune und das ist das einzige, was mich eigentlich interessiert. Ob das jetzt jemand in der Schublade Power Metal oder Kinder Metal oder Flower Metal steckt ist mir vollkommen gleich. Wem es nicht gefällt, der muss nicht kommen. Wir wollen niemanden zwingen, unser Album zu kaufen. Es ist jedem frei überlassen und wie schon gesagt, wem es nicht passt, der muss es nicht kaufen, ist mir scheiß egal.

Ja klar, ich hab es ja jetzt eh auf die Standard Fans bezogen.

– Richtig, das ist die Hauptsache. Die Platte kommt sehr gut an. Es gibt natürlich immer Ausnahmen aber der Grundtenor ist aufsteigend. Was besonders gut ankommt ist auch das neue Gesicht von FREEDOM CALL, was auch daraus kommt, dass wir das Konzept über König Ludwig II. Geschrieben haben. Wenn man so ein Thema nimmt, der hatte ja auch tragische Momente in seinem Leben gehabt, da kann man nicht einfach ein Album machen mit Friede, Freude Eierkuchen, nur positiv und Sonne, Licht und bla bla bla, sondern da muss man auch ein bisschen melancholischer oder auch düsterer werden. Und das hat eben viele Leute auch nochmal überzeugt, die sich vielleicht durch diese extreme Happy Metal Ader etwas zurück gezogen haben.

Also ich hab euch jetzt drei Mal live gesehen und es war generell immer eine geile Show.

Gast Lukas: Ich komme auch mehr aus dem Hard Rock Bereich und hatte vorher mit Metal weniger am Hut, muss aber sagen, dass die Show echt geil war.

– Ja, wir haben ja auch Elemente aus den 80ern, so Rock N Roll oder Hard Rock Sachen, A Perfect Day oder Kingdom Of Madness, das ist ja eher so 80er Rock N Roll. Das ist unsere Zeit, in der sind wir aufgewachsen. Da kommen immer wieder Einflüsse dazu und ich will mich auch von nichts beschränken lassen. Ich denke auch, dass viele Bands Angst davor haben, ihr Sammelsurium an Repertoire einzuschränken, weil sie denken: „Huch, das ist ja dann nicht mehr die genaue Ziellinie“. Das ist und scheiß egal. Wenn wir von einem Song überzeugt sind, dann machen wir den einfach. Es muss uns und den Fans gefallen. Und das funktioniert auch. Man muss sich ja nicht immernur in einer kleinen Musikrichtung bewegen und als Melodic Metal Band nur Songs schreiben, die mindestens 150 Beats pro Minute haben und Double Bass. Da langweile ich mich zu Tode. Im Studio und live erst recht. Da spielst du ne halbe Stunde und dann fängt das Publikum an einzuschlafen.

Ich bewerte das generell so. Jede Band muss oder kann sich weiterentwickeln. Ich persönlich würde es scheiße finden, wenn FREEDOM CALL jetzt 20 Jahre lang nur Songs  á la Stairway to Fairyland spielen würdet. Das wäre irgendwann langweilig. Ich denke, eine Band entwickelt sich weiter. Das war bei Sonata Arctica, Edguy, eigentlich bei jeder Band. So sehe ich das.

– Du hast auch bei jeder Produktion eine sehr starke emotionale Verbindung zu der Musik, weil du einfach dein Leben während der Produktion umstellst, da arbeiten wir teilweise 16 Stunden am Tag, machen auch Nachtsessions durch, je nachdem wie man gerade drauf ist. Da hat man eine sehr enge Beziehung zu der Musik. Das spiegelt dann einfach diese Zeit, wie du gelebt hast, wider. Da wäre das eigentlich eine Lüge, wenn man dann synthetisch versucht, irgendein Produkt herzustellen, das man eigentlich gar nicht fühlt. Die Fans wollen ja auch wissen, wie jetzt die Band, die sie halt auch bewundern oder deren Musik sie sehr mögen, drauf war. Da soll ja eine Verbindung stattfinden und das wäre ja dann auch vollkommen steril, wenn man einfach nur eine Sache macht, doch eigentlich ganz anders fühlt. Ein Album ist einfach eine Spiegelung der emotionalen Situation einer Band.

Also die ersten drei Alben waren ja Taragon orientiert, oder?

– Für die ersten drei Alben hatten wir ein Konzept. Also ich mag das Wort Konzept eigentlich nicht besonders, das hört sich so schrecklich wichtig an. Das war einfach eine Fantasy Story, die wir uns einfach mal ausgedacht und weiterverfolgt haben. Wir haben bei Stairway to Fairyland angefangen, das über Crystal Empire gezogen bis hin zu Eternity und haben da quasi eine Trilogie, auch ein ganz wichtiges Wort, also mehr eine Geschichte ausgedacht. Diese ganz wichtigen Konzept Alben mag ich nicht weil das einfach so klingt, als wäre das Konzept wichtiger als die Musik. Bei Legend of the Shadowking ging es ja hauptsächlich um König Ludwig II. Allerdings sind diese Songs schon im Vorfeld entstanden, an denen haben wir vorher schon gearbeitet und die waren textlich schon sehr konkret. Wir haben es dann noch versucht die etwas hinzubiegen aber dann waren wir wieder bei dem Thema Steril oder synthetisches klingen. Das hat einfach nichtmehr so geklungen. Die ersten Ideen sind einfach mal die besten und die sollte man nicht künstlich verbiegen. So ist es musikalisch und so ist es auch textlich.

Wie lange arbeitet ihr so im Durchschnitt an einem Song?

– Na gut, wir arbeiten ja nicht Song für Song, das geht mehr in gewissen Etappen. Das kommt ganz darauf an, da gibt es Songs, die kann man an einem Tag schreiben und dann gibt es Songs, da kann man schon mal ein paar Monate damit verbringen. Man hängt dann zwar nicht ständig an dem einen Song, aber man hört immer mal wieder rein und ändert dann etwas. Die Produktion alleine dauert bei und so 3 – 4 Monate. Drums nehmen wir dann extern in einem Studio auf und den Rest machen wir dann alles bei uns in Nürnberg im Studio. Gemischt wird die Sache dann wiederum extern. Das ist dann wieder ein größerer Akt, von dem ich mich gerne etwas ausklinke, weil mir da die Objektivität fehlt, weil man so in der Musik drin ist, das es besser ist, wenn das jemand außenstehendes mischt, der auch die Objektivität bewahrt. Die kann ich halt erst wieder Monate nach der Produktion finden. Aber in dem Moment bin damit emotional noch zu sehr verbunden.

Euer Release hat sich ja nun auch wieder verzögert.

– Ja, drastisch sogar. Der Grund lag nicht an uns, das war einfach das Business. Dieses finanziell ökonomische Desaster hat leider auch SPV getroffen und genau zu dem Zeitpunkt an dem wir fertig waren zum Release ist die Plattenfirma in die Knie gegangen und dann hab ich erstmal gewartet und anderweitig umgehört und auch einige Angebote gekommen aber irgendwie hat mir mein Bauch gesagt: „Wart ab“, weil wir warten nun schon seit zehn Jahren mit SPV zusammen. Da sind nun auch schon einige Mitarbeiter, zu denen man ein freundschaftliches Verhältnis hat. Man sagt natürlich, man soll geschäftliches nicht mit privatem verbinden, aber ich bin da anders. Bei mir ist da auch eine gewisse Emotion mit drin und die möchte ich auch nie missen. Ich will nicht so ein abgewichster Geschäftsmann werden, der nur das schnelle Geld haben will, sondern ich hab den einfach ne Chance gegeben und es hat sich jetzt befürwortet und gezeigt, dass es sich gelohnt hat. Die machen ne super gute Arbeit und was will man mehr?

Ihr habt ja nach Eternity ein Live Album auf den Markt gebracht. Stehen schon Pläne für eine DVD an?

– Die Pläne haben wir schon. Von der Plattenfirma ist auch grünes Licht gegeben worden. Wir hatten bis jetzt halt nur keine Zeit weil wir bis jetzt unterwegs waren. Aber wir werden jetzt im April anfangen, die ersten Materialien zu sichten und das wird auf jeden Fall eine History DVD werden, auf der auch wirklich noch Bilder mit Sascha Gerstner und den verschiedenen Line-Ups geben. Dann noch etwas Story um FREEDOM CALL herum und natürlich ein Konzert. Und wo wir das dann aufzeichnen, das wissen wir jetzt noch nicht genau. Es sind schon ein paar Ideen da und ich vermute mal, dass die dieses Jahr nicht mehr veröffentlicht wird. Vielleicht Anfang nächsten Jahres. Ich denke mal die erste Hälfte des nächsten Jahres wäre realistisch.

Chris, ich bedanke mich für das Interview und ich denke, wir sehen uns dann ja auch im Mai auf dem Saarbangers Metal Festival wieder!

www.freedom-call.net

www.myspace.com/callforfreedom

Story: Philip Thelen