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GOTTHARD

Ich war schon ziemlich beeindruckt von dem neuen Album „Human Zoo“, welches GOTTHARD ja im Februar veröffentlichten. Nun waren sie gerade auf Tour und ich wollte doch nur einmal kurz nachfragen, was sich denn alles so ereignet hatte. Es war aber auch sehr interessant, die Meinung von Sänger Steve Lee über die neue Scheibe zu hören. Dann wollen wir also beginnen.

Marc erzählte mir beim letzten Interview, dass euer neuer Produzent Marc Tanner dir sehr geholfen hat, beim Schreiben der Texte. In welchem Bezug geschah dies denn?

– Marc Tanner ist als Amerikaner mit dem Slang sehr gut vertraut. Wir hatten auch von den Songs, welche wir ihm vorgeschlagen hatten alles. Dies bezog sich auf die Musik und vor allem die Texte. Er war auch sehr zufrieden, aber er meinte auch, dass man bei einigen Texten noch etwas tiefer gehen könnte. Er hat zwar gewusst, was ich mit meinen Texten ausdrücken wollte, aber er meinte, dass man dies auch noch anders formulieren könnte, um den ganzen Songs, mit direkten Aussagen, noch mehr Ausdruck zu verleihen. Das Beste an der ganzen Sache war aber, dass er zu uns nach Lugano gekommen ist. Wie haben ihn, wie ein Tourist alle schönen Plätze gezeigt. Dies war schon ein wenig ungewohnt für ihn, denn er kannte als Amerikaner diese relaxte Atmosphäre einfach nicht. Wir hatten aber während den ganzen Recordings so viel Spaß gehabt, dass es ihm letztendlich sehr gut gefallen hat.

Diese relaxte Situation merkt man den Songs auch sehr stark an, denn ich war schon ziemlich überrascht, als ich das Album zum ersten Mal anhörte. Ich fand ja auch euer letztes Album einfach spitze, obwohl ich sagen muss, dass „Open“ doch ein ziemlich krasser Einschnitt in eurem Songwriting für mich war. Obwohl ich jetzt sagen muss, dass dieser Sound deine Stimme noch mehr Ausdruck verleiht.

– Das finde ich eigentlich auch, denn die Stimme steht mehr im Vordergrund. Es ist ja auch so, dass man immer sagt, dass ein neues Album immer das Beste ist. Ich kann zu diesem Album nur sagen, dass es in einer ruhigen und vor allem mit freiem Kopf entstanden ist. Mit Marc hatten wir zusätzlich noch einen neuen Produzenten, der frischen Wind und ein neues Feeling in die Band brachte. Wir hatten mit Chris von Rohr eine tolle Zeit, aber am Ende war es wie in einer Ehe, wo man sich nichts mehr zu sagen hatte. Wir waren regelrecht ausgebrannt. Es kamen immer wieder die gleichen Sachen und wir dachten uns, dass Chris von Rohr das schon sagen, was gut und was schlecht ist. Wir waren überhaupt nicht mehr selbstkritisch. Bei „Open“ war das ziemlich krass, aber bei „Homerun“ ging es schon ein wenig besser. Er war auch immer sehr autoritär, weil er meistens immer seine Sachen durchziehen wollte. Warum sollen Mandy oder Leo etwas anderes spielen, was sie überhaupt nicht wollen.

Deswegen ist ja auch sicher der Ausdruck „Weniger ist Mehr“ ziemlich zutreffend für die neuen Songs. Was mir besonders gut gefällt, ist die Tatsache, dass die Songs nicht überladen wurden und sie immer gut nachvollziehbar sind.

– Auf dem Album „Open“ war es so, dass wir gerne noch mehr Gitarren gehabt hätten. Dann hätte es noch mehr Power und wäre auch härter und rockiger ausgefallen. Das wurde aber beim Mischen nicht gemacht, denn man hatte nach dem „Defrosted“-Album Angst, dass es vielleicht zu hart klingen würde. Aber genau diese internen Konflikte zwischen Balladen- oder Rockband haben wir jetzt mit „Human Zoo“ aus der Welt geschafft. Es ist genau das, was wir machen wollten. Auch die Tour ist wirklich von den Songs her sehr dynamisch, denn es gibt Rocksongs, Balladen und auch akustische Sachen zu hören. Zusätzlich gibt es auch noch neue Sounds, wie Violinen zu hören. Dies ist ja bei „What I Like“ der Fall.

Dies war ja auch die erste Singleauskopplung des Albums.

– In der Schweiz ja, aber in Deutschland lief sie mehr als Promosingle. Aber die Deutschen wollen jetzt, was ich ziemlich toll finde, den Song „Have A Little Faith“ veröffentlichen. Wir haben mit diesem Stück auch sehr viele Chancen in Amerika wieder Fuß zu fassen.

Das war auch ein Punkt, den ich sowieso ansprechen wollte, denn ihr hattet die Fühler ja doch wieder nach Amerika und Australien ausgestreckt.

– Die Sache mit Amerika wird sich in den nächsten Tagen entscheiden. Marc Tanner ist nämlich nach New York geflogen und besucht einige Plattenfirmen, die Interesse bekundet haben. Sicher ist, dass er Connections zu Soundtracks hat. Das wäre natürlich toll, aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich noch nichts Genaues sagen. Trotz allem gibt es jetzt schon neue Länder wie Russland, wo wir in Kürze zwei Konzerte absolvieren werden.

Ihr habt noch nie dort gespielt?

– Nein, es ist das erste Mal. Das war auch ein internes Chaos, das man nicht dort aufgetreten ist, wo es sich auch für uns lohnen würde. Das hing meistens mit dem Geld zusammen. Wir sind aber jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir uns sagen, dass wir überall spielen, wenn es nur Spaß macht und nicht irgendwie nur auch Nummer sicher zu gehen. Deswegen peilen wir jetzt auch neue Länder an, um zu sehen, was dort möglich ist.

Das wird mit Sicherheit einiges bringen.

– Es ist für uns wirklich ein Neuanfang, denn nach 10 Jahren kommt eine neue Dekade und ich persönlich habe auf dieser Tour wesentlich mehr Spaß, denn wir haben uns von einem Druck von oben befreit. Jetzt kommt es nur darauf an, dass wir noch ein wenig mehr Hilfe bekommt, von Leuten, die um uns herum sind.

Die Kritiken streuten ja auch wieder sehr stark. Wie geht ihr denn mit Kritiken, die nicht so gut sind um?

– Man muss immer wissen, von wem kommen diese Kritiken. Es gibt ja auch Journalisten, die ebenfalls Musiker sind. Sie sehen einem denn auch ein wenig als Konkurrenz. Sie schreiben denn zwar toll, aber hinten herum sagen sie denn, ach zu viele Balladen oder Schnulzen. Meine Meinung ist, dass es bei Songs auf die Qualität ankommt. Wir haben mittlerweile eine bestimmte Qualität erreicht und ich hoffe, dass diese sich auch in Zukunft weiter aufbaut. Wir haben tolle Melodien in den Liedern, obwohl es live immer noch sehr rockig abgeht. Ich denke, dass dieses auch sehr gut rüberkommt. Mit Kritik kann ich sehr gut leben, aber es muss von jemand kommen, der weiß was er sagt.

Ganz kurz wollte ich aber noch auf die Texte eingehen. Das Lied was mich am meisten bewegte, war Janie´s Not Alone´. Es handelt ja von einem Straßenmädchen.

– Ich habe im letzten Jahr einen Dokumentarfilm gesehen, der von Straßenkindern in Rumänien handelte. Ich kannte diese Situation schon von früheren Zeiten aus Sao Paulo, aber ich denke, die ganze Welt hat mittlerweile diese Probleme. Diese Geschichte ist mir so ans Herz gegangen, dass ich das in einem Text verarbeiten musste. Du musst dir vorstellen, das sind 9-11-jährige Kinder, die auf der Straße leben und stehlen, um überhaupt zu überleben. Diese unschuldigen Kinder können doch wirklich nichts dafür, Das hat bei mir so einen großen Eindruck hinterlassen, dass ich diesen Text schreiben musste. Janie ist eine Figur, wie es zu Tausenden auf der Welt gibt. Deswegen auch der Ausdruck „She´s Not Alone“, sie ist einfach nicht alleine. Jeder sollte doch von uns einmal überlegen, was er mit nur einem Euro im Monat alles bewirken könnte, denn im Grunde bräuchte man nicht mehr, wenn jeder nur so viel jeden Monat spenden würde, oder eine Patenschaft übernehmen würde.

Dieser Meinung bin ich auch, denn mittlerweile wird dieses Problem auch in Deutschland immer größer.

– Deswegen haben wir uns ja im Endeffekt auch für diesen Titel entschieden. Er beschreibt ganz gut, das Tier im Mensch. Zu „Human Zoo“ sind die Texte ja auch entstanden, nachdem wir in Thailand das Video zu „Heaven“ gedreht haben. Es gibt dort solche abgrundtiefen Kontraste, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Die meisten wissen ja von diesen Problemen, aber die meisten können sich darunter nichts vorstellen, weil sie es nicht mit eigenen Augen gesehen haben. Wenn du solche Sachen im Fernseher siehst, mach das zwar einige Zeit nachdenklich, aber schon nach kurzer Zeit bist du wieder in deiner eigenen Welt, denn eigentlich geht es uns doch mehr als gut.

Nach solch ergreifenden Themen fällt es mir nicht leicht wieder ins normale Tagesgeschehen zurückzukehren, aber die Zeit drängte doch ein wenig. Deswegen muss ich jetzt doch fragen, was ihr nach der Tour noch alles geplant habt.

– Es wird ein langes Jahr werden, denn geplant ist, dass wir fast den Rest dieses Jahres mit Konzerten verbringen werden. Ich hoffe jetzt natürlich, dass noch irgendetwas in Kanada und Australien klappt. Die Chancen dafür stehen ganz gut. Dann werden wir auf jeden Fall nach Japan gehen und sofort im Anschluss an diese Tour, wie schon erwähnt nach Russland. In St. Petersburg wird es ein Konzert geben, bei dem 70000 Zuschauer erwartet werden. Das nächste Konzert in Moskau soll ebenfalls so groß sein. Wir möchten mit diesem Fall nicht gleich nach einer Tour Schluss machen, sondern möchten die Konzertaktivitäten so weit wie es eben möglich ist auszudehnen. Außerdem wird es zu „Have A Little Faith“ noch ein Video geben. Das ist eigentlich so das, was für dieses Jahr noch so geplant ist.

Dann kann ich euch nur noch, für eure weiteren Aktivitäten alles Gute wünschen und vielleicht gibt es auch noch eine weitere Tour durch Europa.

www.gotthard.com

Story: Gisela

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