THE EXPLOITED

THE EXPLOITED 1996

Für diese Band riskierte ich ’92 meinen Job. Mein damaliger Boss (kurz möge er leben) glotzte wie eine Süßwasserpolype als ich ihm erklärte, dass ich wegen „der geilsten Punkband der Welt“ einen Blautag einlegen musste. Ist das Punk? Hm, was ist eigentlich Punk? Am besten ich frage da einen der es wissen muss, z.B. Wattie den Sänger von THE EXPLOITED

 

Nachdem das Vorbild ganzer Heerscharen von Irokesenkriegern seinen Laptop weggepackt hatte (von wegen doofe Punks und so) runzelt er kurz die Stirn.

– Punk? Geh deinen eigenen Weg und mach dein eignes Ding. Punks wie Green Day oder … äh – Offspring – Yeah, funking shit, Wichser. Alles Wichser. Das ist doch Kommerzkacke, die haben doch nix mit Punk zu tun. – Und wie definierst du deine Band? – EXPLOITED? Wir sind Arbeiterklasse. Wir sind Punks. Keine Rocksongs, keine Balladen, keine Popscheiße.

Da man Interviews und Berichte über THE EXPLOITED in der hiesigen Revolverpresse in den vergangenen Jahren an der Hand eines Sägewerkarbeiters ablesen konnte (dafür penetrieren in den Interviews ständig die gleichen Bands, deren Plattenfirma halt ’ne große Kriegskasse hat), bitte ich Wattie erst einmal ein wenig über die letzten Jahre zu plaudern.

– Was gibt’s da zu erzählen. Wir machen seit 14 Jahren unser Ding, dieselbe Musik und dieselben Songs. Wir waren Underground bis heute und werden es auch bleiben. Andere sind in den letzten Jahren groß rausgekommen, wer weiß wo sie morgen sind? EXPLOITED waren immer eine kleine Band mit einem kleinem aber treuen Fankreis und das ist gut so. Ich habe schon oft gehört ‚Punk is dead‘. Bullshit, Punk ist nicht tot. Heute machen ’ne Menge Leute gut Kohle mit Punk, morgen sind die Combos von heute wieder weg vom Fenster, aber wir machen weiter wie bisher.

Euer neues Album (Veröffentlichung Ende Februar) heißt „Beat The Bastards“, genauso wie gleichnamiger Titelsong. Wer sind die Bastarde die Ihr schlagen wollt?

– Beat the Bastards? Das ist ein Song gegen die Regierung, das Establishment und die Bullen. Alles Wichser (Wattie grinst wie ein Honigkuchenpferd, oder eher wie ’ne Honigkuchenbulldogge, weil er eines der wichtigsten deutschen Wörter kennt).

Habt ihr noch Probleme mit der Polizei?

– Ja klar. Wir mögen uns nicht besonders Haha.

Und mit euren stockkonservativen Mitmenschen in Schottland, gibt’s da Probleme wegen eurem Aussehen (Wattie trägt zwar nur noch einen kurzen Iro und lange rote Zöpfe, dürfte aber trotzdem nicht dem Standardbild eines berockten Schotten entsprechen)?

– Nö, zur Zeit nicht, ist uns aber auch egal was die denken.

Wattie einer der besten Songs von eurem letztem Album „The Massacre“ ist „Don’t Pay The Poll Tax“. Was ich schon immer mal wissen wollte, was ist das eigentlich für eine Steuer?

– Die Poll Tax das ist ’ne Riesenschweinerei, weil jeder Bürger das gleiche bezahlen muss. Angenommen du lebst in einem großem Haus was Tausende und Abertausende Deutschmarks (?) gekostet hat. Und ein anderer lebt in einer Absteige für einige hundert Deutschmarks. Beide müssen die gleiche Poll Tax zahlen. Oder du verdienst 1000 Pfund die Woche und ich nur 15,  dann latzen wir beide das gleiche. John Major verdient die dicke Kohle und bezahlt genauso viel wie irgendein armer Malocher, das ist vielleicht ’ne Sauerei.

Tja da geht es in Deutschland etwas gerechter zu, wer hier viel hat muss auch mehr löhnen (weil andernfalls Prozess am Hals, gelle Papa Graf).

– Ja bei euch, aber bei uns …grmblfx (unübersetzbarer ellenlanger Fluch).

„Blabb“, der Deckel von Watties Seltersflasche fällt runter, nach längerer Suche hat er ihn wieder und entlockt mir die Frage: Punk and Water?

– Na ja, sonst trinke ich Whisky Cola.

Wahrscheinlich erst nach der Show (wir sitzen im Nightliner der Band kurz vor dem Auftritt in der Essener Zeche Carl)?

– Nein vorher auch, nur beim Interview da trinke ich besser Wasser sonst sag ich noch was falsches (und die Ohren kriegen wieder Besuch von den Mundwinkeln).

Mal was ganz anderes. Vor ca. 2 Jahren hat sich Lord Peter Steele von TYPE-O-NEGATIVE in einem Interview beschwert, dass er hier in Deutschland von vielen Leuten als Nazi beschimpft wurde (an dieser Stelle noch mal herzlichen Dank an alle politisch korrekten Arschlöcher und Bombenbodos, wegen denen ich und andere Fans damals umsonst zu T.O.N. Konzerten, die wegen Bombendrohungen abgesagt wurden, in der Landschaft rumgegurkt sind), auf der Tour mit euch in Amerika die Kids aber ihn und seine Band wegen der langen Haare als Kommunisten beschimpft haben. Stimmt das eigentlich?

– Nein, er war einfach nur auf der falschen Tour. TYPE-O-NEGATIVE haben als Vorband von BIOHAZARD und uns gespielt. Und da passte seine Musik nicht dazu (steht auf, spielt in Zeitlupe Luftgitarre und verdreht die Augen weltentrückt zur Decke). Bei durchgedrehten Punks kann du mit so ’ner Omamucke (ähem, hüstel) nichts reißen. Das hat auch nichts mit langen Haaren zu tun. Der Keyboarder ist übrigens ein guter Freund von uns.

Ok, Ok ihr seid ja auch über die Jahre eine der extremsten und härtesten Bands geworden. Wenn ich euer neues Album höre, da können sich so manche Death oder Thrash Bands ’ne Scheibe abschneiden. Wo kommt diese musikalische Härte her, ist das der Hass?

– Natürlich, Hass ist unser Hauptantrieb. Unsere Songs sind keine Liebeslieder, sie entstehen aus dem Bauch heraus. Wir singen über das was wir verabscheuen, den Staat, die Bullen und das ganze Justizsystem. Nimm doch nur mal den Fall O.J.Simpson. Weil er Kohle hat ist er freigesprochen worden. Fucking Bullshit. Stell dir vor du oder ich hätten so etwas gemacht, dann wären wir aber schnell weg vom Fenster.

Garantiert. Was macht eigentlich die schottische Punkszene?

– Puh, die ist ganz klein, aber das ist Ok, Schottland ist ja auch ein kleines Land. – Und die Leute sind frustriert weil es jeden Tag regnet. – Na ja nicht jeden, aber jeden 2..

Wattie möchtest du den deutschen Fans zum Schluss noch etwas ans Herz legen?

–  Ich weiß nicht, was so in der Presse über uns geschrieben wird, aber ich finde es gut, dass es Fanzines gibt, die von Fans für Fans gemacht werden, die schreiben wenigstens das, was die Musiker auch gesagt haben (an mein Herz Wattie!). Wenn die großen Zeitungen mal ein Interview machen, dann sitzen sie da, glotzen auf die Uhr und wer weiß was sie dann später zusammenschmieren. Die machen das ja für Kohle und nur wenige von denen sind noch wirklich Fans. Und wenn’s um Punk geht, dann machen sie lieber ’n Interview mit Green Day oder so, die verkaufen ja auch ein paar Scheiben mehr.

Wie viel habt ihr denn vom letztem Album verkauft?

– Zwei oder Drei.

Tausend??

– Nein zwei oder Drei Stück. Ha, Ha, Ha, Ha (Wattie bekommt einen Lachgig, wenn Bulldoggen lachen könnten würde es genau so klingen). Ich glaube in Europa 40-50tausend. Amerika weiß ich gar nicht.

Na vielleicht verkauft ihr von „Beat The Bastards“ noch ein paar mehr, da sind ja einige Knaller drauf. Besonders der letzte Song äh.., na sag schon der mit ‚Sex and Aggression‘.

– Du meinst „Serial Killer“. Ja der ist sehr rau. Die ganze Scheibe hat ein sehr raues und aggressives Feeling. Etwas anderes wirst du von uns auch nie hören.

http://www.the-exploited.net

Story: Steffen Keßler